Nachtfahrten mit dem Segelboot

Wenn Steffi und ich uns mit unseren Freunden übers Segeln unterhalten, berichten wir immer gerne von unseren Erlebnissen an Bord. Ein Thema was dabei immer wieder zur Sprache kommt, sind Nachtfahrten. Auch für uns ist das immer ein ganz besonderes Erlebnis und da dazu immer wieder die gleichen Fragen auftauchen, wollten wir dazu einen kleinen Artikel veröffentlichen.

Sonne und Mond sind machmal zur gleichen Tageszeit zu sehen
Sonne und Mond sind machmal zur gleichen Tageszeit zu sehen

Wie? Ihr könnt nicht anhalten und schlafen gehen?

Ja genau, so, oder so ähnlich haben wir die Frage schon öfters gestellt bekommen. Beim nächtlichen Segeln verhält es sich ein bisschen anders als beim Autofahren. Man kann nicht einfach rechts ran fahren und für ein kleines Nickerchen kurz anhalten.

Einfach mal den Anker herunterlassen ist bei Meerestiefen von über mehreren 100 bis 1000 Metern auch nicht wirklich möglich, da dazu die Länge unsere Ankerkette leider nicht ausreichen würde 😉 . Selbst wenn das klappen sollte, ist der Schwell auf dem offenen Meer oft so unangenehm, dass eine Nachtruhe kaum möglich wäre.

Natürlich könnte man theoretisch trotzdem „anhalten“. Durch das Manöver Beiliegen oder Beidrehen, werden die Segel und das Ruder in eine gewisse Stellung gebracht, sodass die Fahrt aus dem Schiff genommen wird und dieses nur noch driftet. Allerdings ist das bei viel Welle auch nicht so super toll 😉

Der Grund einer Nachtfahrt ist ja meistens, dass man von Punkt A nach Punkt B gelangen möchte und die Entfernung so groß ist, dass eben auch nachts gesegelt werden muss. Aus diesem Grund ergibt es Sinn auch in der Dunkelheit weiterzufahren, um seinem Ziel näherzukommen.

Ah! Ihr habt doch auch einen Autopiloten! Dann macht der die Arbeit und ihr könnt in Ruhe ins Bett gehen?

Das wäre schön 🙂 . Auch wenn wir schon von manchen Seglern gehört haben, dass sie es genauso handhaben, geht es dem Großteil der Segler wie uns. Mindestens eine Person ist immer wach und hält Wache, auch wenn der Autopilot von alleine steuert. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe:

Nicht jedes Boot hat AIS

In der heutigen Zeit haben die meisten Schiffe AIS. Also ein automatisches Identifizierung-System, das den Schiffen in der Umgebung die Schiffsdaten, Geschwindigkeit, Kurs und die aktuelle Position anzeigt. Das System hat einen Annäherungsalarm und soll Kollisionen verhindern. Auch wenn es in der Berufsschifffahrt verpflichtend ist und es viele Sportboote auch bereits aus Sicherheitsgründen an Bord installiert haben, gibt es immer noch Schiffe ohne dieses System. Gerade in küstennahen Gebieten hatten wir fast jede Nacht 1-3 Fischer- oder Segelboote gesehen, die wir nicht auf unserem AIS hatten und wir unseren Kurs dahingehend anpassen mussten, um eine Kollision zu vermeiden.

Viele Boote auf dem AIS bei Nacht
Viele Boote auf dem AIS bei Nacht

Radar sieht nicht alles

Auch ein Radarsystem kann nicht alle Einzelheiten aufnehmen, so gut die modernen Systeme auch sind, ist es immer besser Nachts noch mal kurz persönlich aufs offene Meer zu schauen.

Der Wind kann drehen

Besonders beim Fahren mit Windpiloten, aber auch mit dem elektrischen Autopiloten können Wechsel der Windrichtung des Kurses und die Segelstellung doch deutlich beeinflussen. Von daher ist es immer wichtig in regelmäßigen Abständen den Kurs zu kontrollieren und ggf. anzupassen.

Treibende Gegenstände im Wasser

Leider ist es sehr schwer Nachts unbeleuchtete, kleinere Gegenstände im Wasser zu erkennen. Da hat man so gut wie keine Chance. So war es bei uns schon öfters der Fall, dass wir eine Fischerboje erst im Licht der vorderen Navigationslichter gesehen haben, als diese dicht an uns vorbeigetrieben sind.

Unsere Windsteueranlage bei Nacht
Unsere Windsteueranlage bei Nacht

Aber ihr seid dann ja nicht immer zu zweit wach, oder?

So ist es. Wenn wir beide jede Nacht wach bleiben würden, wäre unser Akku ziemlich schnell alle. Mit mehreren Personen an Bord eignet sich ein Schichtbetrieb am besten. Hier gibt es die unterschiedlichsten Modelle.

Ab einer Drei-Personen Crew ergibt es Sinn einen Wachhabenden auszuwählen, eine Person auf Standby und eine Person im Ruhemodus. Sollte der Wachhabende in eine Situation geraten, die er alleine nicht mehr handeln kann, kann der die Person im Standby immer dazurufen. So kann man sicherstellen, dass die dritte Person immer eine gute Ruhephase hat und kann so rotieren.

Bei einer zweier Crew wie bei uns, ist immer einer auf Standby. Wir haben uns für ein flexibles 3-Stunden Modell entschieden. Jeder hat maximal 3 Stunden Wache, dann wird getauscht. Wenn man merkt, dass nach kürzere Zeit schon die Augen zufallen, wird eben schon früher getauscht, oder wenn sich einer fitter fühlt, dann auch mal 30 min länger. Wir haben festgestellt, dass wir damit am besten fahren und sich die Zeiträume mit der Zeit automatisch gerecht einteilen.

Bei Einhand-Seglern ist das eher schwierig. Hier gibt es nur einen Wachhabenden. Die meisten, mit denen wir gesprochen haben, haben sich auf einen kurzen Schlafrhythmus eingestellt. Heißt, alle 20 min geht ein Wecker, es wird ein Rundumblick gehalten und den Kurs kurz kontrolliert, dann werden die Augen wieder zugemacht. Auf Dauer etwas anstrengend, aber wohl das beste Einhand-System.

Ist das nicht gruselig und gefährlich Nachts zu fahren?

Vielleicht ein bisschen von beidem, aber wenn man weiß, was man macht, ist es weder noch. Nachtfahrten haben immer eine ganz besondere Stimmung.

In manchen Nächten (vor allem bei Vollmond) scheint der Mond wie eine kleine Sonne und glitzert richtig auf dem Wasser. In solchen Nächten nimmt man die Dunkelheit viel weniger wahr und kann das oder andere viel besser erkennen. Das gibt einem das nötige Gefühl für Geschwindigkeit und Umgebung und macht es nicht ganz so trist.

Bei bewölktem Himmel, mit keinem oder nur wenig Mondlicht ist es um einen herum tiefschwarz. Ein wirklich eigenartiges Gefühl kennt man es doch sonst nicht. Nachts brennen in der Ferne immer irgendwo Lichter, nur nicht auf dem Wasser und das macht es so besonders. Die einzigen Lichtquellen sind die Navigationslichter (Steuerbord grün, Backbord rot und achtern weiß) in dem die Gischt der vorbeikommen Wellen kurz auftauchen. Sowohl Steffi als auch ich haben in solchen Nächsten immer ein bisschen das Gefühl, dass wir fliegen. Wir sehen nicht, wo wir hinfahren, nur die nächtliche Schwärze und dadurch, dass wir das Meer nur schemenhaft vorbeiziehen sehen, fehlt auch das Gespür für die Geschwindigkeit. Gleichzeit ist es aber auch super entspannend das auf seine Sinne wirken zu lassen und einfach das Nichts in sich aufzunehmen (bei angenehmen Wetterverhältnissen).

Natürlich ist es Nachts auch gefährlicher zu fahren als bei Tag. Nicht nur durch die eingeschränkte Sicht können Gefahren entstehen, auch durch die Situation, dass nur eine Person im Cockpit ist und die andere im Salon schläft. Sollte die Wachhabende Person über Bord gehen, bekommt das die Person im Cockpit im Schlaf nur schwer mit. Wenn das dann erst beim nächsten Wachwechsel auffällt, ist die Person im Wasser fast unmöglich wiederzufinden. Aus diesen und vielen weiteren Gründen haben wir uns daher goldene Regeln für die Nachtfahrt mit dem Segelboot aufgestellt.

Unsere goldenen Regeln der Nachtfahrt

Wir starten immer ausgeruht. Am Tag vor der Abfahrt werden möglichst wenige anstrengende Aufgaben erledigt und wir holen uns so viel Schlaf wie möglich in der Nacht zuvor. Deswegen achten wir auch gezielt darauf in einer sehr gut geschützten Ankerbucht, oder Hafen zu liegen.

Während der Fahrt achten wir gezielt darauf genug zu essen und zu trinken. Hört sich erst mal banal an, aber gerade, wenn es etwas wilder wird, kann man das schnell mal vergessen. Der Körper benötigt ausreichend Energie um eine Nachtfahrt bewältigen zu können. Am besten eignen sich Snacks wie Müsliriegel oder Nüsse, wenn es mal schnell gehen muss und nicht gekocht werden kann.

Nachts wird das Cockpit nicht verlassen. Die Gefahr, dass jemand über Bord geht ist einfach zu hoch. Wenn man trotzdem das Cockpit verlassen möchte, da es die Situation erfordert, wird die schlafende Person geweckt, um maximale Sicherheit zu gewährleisten. Aus diesem Grund fahren wir auch Nachts ausschließlich mit Rettungsweste und eingepickt, egal bei welchem Wetter.

Wenn wir wissen, dass der Wind in der Nacht zunimmt, oder keinen genauen Wetterdienst zur Verfügung haben, fahren wir immer mit gerefften Segeln. Damit lässt sich die Situation vermeiden, dass wir von schwerem Wetter überrascht werden und Nachts die Segel bei viel Wind verkleinern müssen.

Bei jedem größeren Manöver (wie Halse oder Wende) wird die schlafende Person geweckt. Bei wenig Licht können diese Manöver schon mal tricky werden, besonders wenn etwas nicht so glattläuft oder sich verhakt.

Vorbereitung is King

Wenn man größere Schläge oder Überfahrten vorhat, ist es ratsam sich gut vorzubereiten. Es kommen noch genug ungewohnte und plötzliche Situationen in der Nacht auf einem Segelboot auf einen zu. Da hilft es sehr, wenn man ein paar Sachen schon ready hat.

Wetter

Schaut euch schon weit vor eurer Nachtfahrt mit dem Segelboot die Windverhältnisse an. Am besten sogar über einen längeren Zeitraum von mehreren Wochen. Das hilft euch einzuschätzen, wo die vorherrschenden Windfelder sind und was passieren kann, wenn die Wettervorhersage nicht ganz eintreffen sollte. Schaut auch nicht nur auf den Wind. Auch Welle und Strömung sind extrem wichtig. Wenn ihr die Zeit habt, wartet lieber ein bisschen länger auf das perfekte Wetterfenster, als das ihr überhastet aufbrecht und dann in unangenehmes Wetter kommt.

Navigation

Gerade bei längeren Schlägen weiß man manchmal nicht ganz genau wann man am Ziel eintrifft. Kommt man bei Nacht an, ist die Navigation oft schwieriger. Schaut euch von daher eure Zielbucht oder Zielhafen vorher in Ruhe ganz genau an. Manchmal hilft es auch die Besonderheiten und Leuchtsignale vorher auf einen Zettel zu schreiben. So muss man bei Ankunft nicht umständlich Apps und Seekarten wälzen, sondern kann sich bewusst auf die Ansteuerung mit den wichtigsten Merkmalen konzentrieren. Sucht euch auch immer einen alternativen Landungsplatz aus, wenn etwas nicht wie gewünscht klappen sollte. Dann seit ihr für alle Situationen vorbereitet.

Essen

Überlegt euch am besten vorher was ihr essen möchtet. Kauft genug Snacks und Getränke ein und wenn es möglich ist, kocht vielleicht sogar etwas vor. Wenn ihr überrascht werdet und bei 30 Knoten und 2 Meter Welle in die Nachtfahrt geht, freut ihr euch, dass das Abendessen nur aufgewärmt werden muss. Auch Instant-Nudeln können ein wahrer Lebensretter sein. Steffi und ich haben uns schon bei so manchen Überfahrten davon ernährt.

Bereitet das Boot und Equipment gut vor

Schaut, dass an Bord wirklich alles gut verstaut ist. Nichts ist nerviger als nachts umherfliegende Sachen aufzuräumen und neu zu vertauen. Diesen Stress könnt ihr vermeiden. Auch ist es ratsam das nötige Equipment gleich vorzubereiten. Bei uns liegen z.B. die Rettungswesten immer griffbereit und die Leinen zum Einpicken sind schon an den entsprechenden Stellen angebracht.

Sonnenuntergang hinter der Benko
Sonnenuntergang hinter der Benko

Nichts ist mit einer Nachtfahrt vergleichbar

Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl Nachts im Dunkeln über das Meer mit seinem Segelboot zu gleiten. Das kann man kaum in Worte fassen. Das muss man einfach mal erlebt haben. Wenn ihr gut vorbereitet seid, ist es auch nichts vor dem man sich fürchten muss!

Es gibt vor allem eine Situation, die uns bisher in unseren Leben nur auf Nachtfahrten passiert ist 😉 :

Du bist gerade eingeschlafen, dann wirst du plötzlich von deinem Partner geweckt und dir wird im Halbschlaf eine Schot in die Hand gedrückt. Der Bug geht durch den Wind, du holst mit dicken Augen, wie ein Wilder die Genuaschot dicht. Nach vollführter Wende legst du dich sofort wieder hin und schläfst noch in der gleichen Sekunde wieder ein.

Aufstehen, an einer Leine ziehen und dann gleich wieder einschlafen, gibt es glaub ich nur bei Nachtfahrten 🙂

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